Der Klorollenfall

Verfasser: Dr. Jürgen Zeplin, Berlin

Nun sind im Rahmen der verhaltensbezogenen Diagnose die Beispiele für die sachinhaltsbezogene Diagnose kurze Wortfetzen oder Sprüche gewesen. Das soll aber nicht den Eindruck erwecken, es käme nur auf diese kurzen Aussagen an. Im Gegenteil, Menschen können in längeren Reden oder Texten eine Ausdrucksweise wählen, die auf einen Ich-Zustand schließen läßt, der da die Feder geführt hat. Sie nehmen damit eine "Haltung" ein, ein anderer Ausdruck in der Transaktionsanalyse, sich in einem Ich-Zustand zu befinden. Man stelle sich zum Beispiel vor, jemand schreibt seiner Geliebten einen Liebesbrief, der aus dem kritischen Eltern-Ich kommt. Denkbar ist dies schon, aber ob die Liebe da gedeiht, ist wohl fraglich.

Wir haben anhand eines jedermann bekannten menschlichen Problems einmal durchexerziert, wie ein Rundschreiben aussehen könnte, wenn die Person in bezug auf das Problem eine entsprechende Haltung aus einem bestimmten Ich-Zustand einnimmt.

Text A

Immer wieder erreichen uns Klagen von Mitarbeitern, daß das Toilettenpapier in den Toiletten aufgebraucht ist und der letzte Benutzer keine neue Rolle eingelegt hat, die sich ja bekanntlich im Schrank im Vorraum befindet. Sicherlich geschieht dies nicht absichtlich, vielleicht sind die Kollegen zu sehr in ihre Gedanken vertieft. Bitte denken Sie an Ihre Kollegen und deren dann folgenden Unannehmlichkeiten, wenn Sie vergessen, eine neue Rolle einzulegen.

Sicherlich wird schnell deutlich, daß der Schreiber "Verständnis" für das Versäumnis hat und er wirbt auch um Verständnis bei etwaig Betroffenen. Wir können diese Haltung dem fürsorglichen Eltern-Ich zuordnen.

Anders klingt der folgende Text:

Text B

Auf dem Klo regiert die "Hinterlist". Gemeint sind die Kollegen, die uns mit ihren "hinterlistigen" Angriffen verfolgen, indem sie das "letzte Blatt" für eigene Zwecke verbrauchen und den Nachschub vergessen. Kollegen, die Logistikkette sollte Euch heilig sein, sie darf nicht unterbrochen werden.

Hier war ein Spaßvogel am Werk, der sich über das Problem amüsiert, aber zu keiner Lösung beiträgt. Wir können diese Haltung dem freien Kind-Ich zuschreiben.

Im folgenden Text ist der Tenor wieder anders.

Text C

Ist es nicht niederschmetternd, wenn man auf der Toilette sitzt und zu spät bemerkt, daß wieder einmal ein "Kollege" vergessen hat, eine neue Rolle einzulegen. Ob sich dieser Kollege wohl Vorstellungen davon macht, wie peinlich es ist, mit heruntergelassenen Hosen zum Vorraum zu laufen, um eine neue Rolle zu holen? Trotz klarer Anweisung auf dem Aushang im Vorraum neben dem Spiegel, scheinen sich einige Kollegen dafür wohl zu fein zu fühlen.

Der Schreiber "beklagt" sich über einen Zustand, den er nicht ändern kann, aber offenbar auch nicht ändern will. Hier führte wohl das fügsame angepaßte Kind-Ich die Feder.

Ganz anders klingt nun wiederum der folgende Text:

Text D

Die dauernde Vergeßlichkeit einiger Kollegen ist eine Rücksichtslosigkeit erster Güte, wenn sie die letzte Rolle auf der Toilette aufbrauchen und nicht, wie vorgeschrieben, eine neue aus dem Schrank im Vorraum holen und in der entsprechenden Toilette in den dafür vorgesehenen Halter einlegen. Sollte diese Rücksichtslosigkeit weiter anhalten, werden wir entsprechende Maßnahmen ergreifen.

Der Schreiber kritisiert, daß einige rücksichtslose Kollegen die Vorschriften nicht einhalten und droht mit Konsequenzen, wie immer die auch aussehen könnten. Hier bestimmt wohl das kritische Eltern-Ich die Haltung.

Nun eine an einer Lösung interessierten Textvariante:

Text E

Es gibt ein Problem auf unseren Toiletten, weil wenn das Papier aufgebraucht ist, der Benutzer dies nicht vorher merkt, er nur schwerlich an den Schrank im Vorraum der Toilette gelangt. Verfahren wir in Zukunft so, wir lagern immer eine Rolle als Reserve auf dem Spülkasten und jeder der diese Reserve in den Halter einlegt, besorgt eine neue. Sollte ein Benutzer bemerken, daß keine Reserverolle mehr auf dem Spülkasten liegt, legt er bitte wieder eine darauf.

Dieser Schreiber erkennt das Problem, wertet aber nicht, sagt nichts über die Verursacher und konzentriert sich nur auf das Problem und bietet eine Lösungsmöglichkeit an. Zweifelsohne ist hier eine Erwachsenen-Ich-Haltung eingenommen.

Bleibt zuletzt noch die folgende Textvariante:

Text F

Typisch, da gibt es immer diese sogenannten Vorbilder, die von einem vorbildliches Verhalten verlangen und wenn sie selbst gefordert sind, kläglich versagen. Noch nicht einmal diese kleine Übung, die leere Klorolle durch eine neue zu ersetzen, bekommen die hin. Aber andere ermahnen, da sind sie groß. Wenn man dann da so sitzt, fällt einem nichts mehr ein

Dieser Schreiber erkennt sofort den imaginären Feind und regt sich über ihn dann auch gehörig auf.

Zweifelsohne ist hier das rebellische angepaßte Kind-Ich in Aktion.

 


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