Spiele in Organisationen

Sieht wie Arbeit aus, ist aber ein zeit- und energiefressendes "Spiel/-chen!"

Verfasser: Dr. Jürgen Zeplin, Berlin

Daß "menschliche" Probleme die Effizienz von Organisationen mindern, gehört schon allgemein zu den Binsenweisheiten. Nur greifbar, klar erkennbar und beschreibbar, oder sogar quantifizierbar ist dieser Einfluß offenbar nicht, liegt er doch im „Dunklen“ der nur schwer zugängigen psychologischen Ebene. Das ist nicht unsere Disziplin, sagen Mitarbeiter und Manager. Dennoch, Abhilfe bringt das Konzeptgebäude der Transaktionsanalyse. Sie kennt als Verwendungsformen der Zeit neben anderen auch "Arbeit" und "Spiele". Auf die Arbeitswelt übertragen bedeutet dies, daß das, was wir als Arbeit bezeichnen, sich wirklich zusammensetzt aus "Leistung" aufgrund zielführender Arbeit und "Blindleistung" aufgrund von Spielen. Über die „Spielanalyse“ gibt sie Anhaltspunkte, ein "Spiel" zu erkennen und auch gezielt auszusteigen. Sie verkörpert in ihren sehr praxisnahen Konzepten eine Grundtugend des Controllers, die Transparenzverantwortlichkeit. Das kann sie deshalb in hervorragender Weise, weil ihr Schöpfer Eric Berne (1910 – 1970) sich zum Ziel gesetzt hatte, psychologische Zusammenhänge sollte ein achtjähriges Kind verstehen. Darüber hinaus folgt sie immer der Devise: "Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie!" und liefert Vorgaben für die praktische Anwendung, kurzum sie ist eine wirkliche "Psycho-Logik!"

1. Zusammen-"Arbeit" oder zusammen ein "Spiel" spielen?
   
Wenn wir so ganz allein auf uns gestellt unsere Arbeit machen: Wir sehen, es kommt etwas heraus, wir schaffen etwas weg, der Berg unerledigter Vorgänge wird kleiner, wir kommen unserem Ziel näher, wir erzeugen eine "Leistung" und erzielen ein Ergebnis, dann sind wir rundweg zufrieden! Es darf nur nicht die Tür aufgehen, eine Email ankommen, eine Ausarbeitung eines Mitarbeiters im Posteingang erscheinen oder wir zu einer Besprechung oder Konferenz gerufen werden. Nun ist es vorbei mit der konstruktiven Abgeschiedenheit in unserer eigenen Arbeit, nun müssen wir mit anderen, Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern zusammenarbeiten und gemeinsam ein Ergebnis erzielen. Jetzt wird es schwieriger. Viele haben deshalb für sich mit der Meinung abgeschlossen, ehe ich mich mit anderen auseinander setzte oder mich auf andere verlasse, mache ich meine Arbeit lieber alleine! Nur ohne diese Zusammenarbeit kommen aber auch nicht mehr als Einzelergebnisse zustande und alles, was man Synergie nennt, bleibt auf der Strecke. In der Arbeitswelt zwingen nun einmal Werteschöpfungsketten, Prozeßstrukturen, Dienstleistungen, Projekte, Lieferanten- und Kundenbeziehungen zur Zusammen-"Arbeit".
   
Als ich als Absolvent der Betriebswirtschaft in meine erste Firma kam, glaubte ich, es mit betriebswirtschaftlichen Problemen zu tun zu haben. Geprägt durch meine technische Vorbildung und Praxis erarbeitete und präsentierte ich fachliche Lösungen und war mit ihnen dennoch nicht erfolgreich. Mein fachlicher Vortrag fand zwar Gehör, aber danach mündete alles in langatmigen Diskussionen. Es wurden mit großem Aufwand Sitzungen und Projekte anberaumt, getreu der Formel: Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verstärkten wir unsere Anstrengungen (Albrecht Deyhle). Ich war über diese höchst unwirtschaftliche Destruktivität der Menschen erschrocken. Warum wird so viel Zeit und Energie verschwendet? Mir wurde klar, ich hatte mich geirrt, zu den fachlichen Fragen kamen die sogenannten "menschlichen Probleme", die wohl die Ursache für die großen "Blindleistungen" waren. Da brach z. B. einer einen Streit vom Zaume, der mit viel Zeitverbrauch und Leidenschaft durchgefochten wurde, ein anderer nutzte jede Sitzung, sich eitel zu produzieren, ein nächster versuchte alle Arbeit auf andere abzuschieben, war dann aber sofort mit Kritik zur Stelle und ein anderer war immer dabei, Widerstand und Aufruhr gegen die Führenden zu initiieren. Alle diese Aktionen hatten mit der eigentlichen Arbeit nichts zu tun, waren den Akteuren aber wichtiger als die Arbeit und das angestrebte Ergebnis und dieses Tun erinnerte mich an Dramen im Theater, der Oper, der Familie und dem Freundeskreis.
   
Menschliche Beziehung und Kommunikation vollzieht sich bekanntlich auf zwei Ebenen, der Sachebene und der psychologischen Ebene. Die Sachebene beherrschen wir allgemein. Haben wir aber für die psychologische Ebene auch das entsprechende Rüstzeug, um die "menschlichen Probleme" lösen zu können? Ja, die Transaktionsanalyse stellt die richtige "Toolbox", den "Instrumentenkasten" zur Verfügung, wir müssen die Box nur ein wenig öffnen!

Warum denn nun aber gerade Transaktionsanalyse? Nun, hinter ihr verbirgt sich ein sehr umfangreiches psychoanlaytisches Konzept von Neo-Freudianern, mit der Besonderheit, daß
ihr Schöpfer Eric Berne (1910 -1970) sich zum Ziel setzte, ein achtjähriges Kind sollte die psychologischen Zusammenhänge verstehen können. Therapien zwischen Therapeut und Klient sollte auf gleicher Augenhöhe stattfinden. Er wollte sie verständlich und für alle Beteiligten nachvollziehbar machen. Die Theorie sollte keine Geheimwissenschaft der Wissenden im weißen Kittel bleiben, sondern die Grundlagen menschlichen Verhaltens sollten durchsichtig und einsichtig gemacht werden. Das ist ihm und seinen Nachfolgern gelungen, aber er warnte auch früh: "TA is simple, but not easy". Was soviel heißt, die Konzepte sind leicht verständlich, aber die Tiefe und Breite des gesamten Konzeptgebäudes ist nicht leicht zu beherrschen, sondern muß eher mühevoll erarbeitet werden.
   
Die deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse beschreibt die TA so, sie ist
   
• ein Persönlichkeitskonzept, mit dessen Hilfe innere Prozesse und lebensgeschichtliche Entwicklungen verstehbar
gemacht werden können,
• ein Kommunikationskonzept, das die Möglichkeit bietet, die Art und Weise zwischenmenschlicher Kommunikation zu beschreiben und zu erklären und
• ein Therapiekonzept zur Behandlung psychischer Erkrankungen sowie ein Beratungskonzept zur Förderung individuellen und sozialen Wachstums.

Grob unterschieden werden kann sie in die Konzepte

• Persönlichkeitsanalyse
• Beziehungsanalyse (eigentliche Transaktionsanalyse)
• Gruppenanalyse (Maschen- und Spielanalyse)
• Analyse und Steuerung von sozialen Systemen

Wir wollen uns hier mit dem Baustein Spielanalyse befassen und wenden uns wieder der Frage Zusammen-"Arbeit" oder "Spiel" zu? Arbeit ist eindeutig definiert als eine Summe von Tätigkeiten, die gewisse Fähigkeiten vom Aufgabenträger verlangen, ein Ziel verfolgen und durch eine entsprechende Leistung innerhalb einer Zeiteinheit als Ergebnis erreicht wird und bewertet werden kann. Ein einzelner Aufgabenträger gibt sich seine "Streicheleinheiten", das ist die erforderliche Anerkennung, während des Arbeitsprozesses selbst, quasi als Selbstansporn, bevor er die Anerkennung für sein Endergebnis von anderen, dem Kollegen, dem Vorgesetzten bekommt oder auch nicht. Um beurteilen zu können, ob ein Student ein Diplom verdient, muß er persönlich eine Diplomarbeit schreiben und die Bewertung ist eindeutig der Ausweis seiner persönlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit.

Wenn aber nun andere Menschen in diesem Arbeitsprozeß hinzukommen, Über- oder Unterstellungsverhältnisse eine Rolle spielen, mischen sich in diese nunmehr entstehende Zusammen-"Arbeit" viele Einflüsse der psychologischen Ebene ein. So will einer sich ständig selbst darstellen, der andere holt sich seine Aufmerksamkeit, indem er sich blöder stellt, als die Polizei erlaubt, um seine Arbeit nicht machen zu müssen. Ein anderer erklärt allen immer bereitwillig, daß der Vorgesetzte ein Trottel ist, der nächste weiß alles besser und ein anderer schiebt ständig die Schuld auf andere. Das ist alles offenbar wie schon gesagt viel wichtiger, wichtiger als die eigentliche Arbeit, das Ergebnis und die Leistung.

Heißt das, wir müssen unser Verständnis von Zusammen-„Arbeit“ ändern? Ja, ganz eindeutig. Wenn zwei Menschen und mehr in einem Arbeitsprozeß vereint sind, gesellen sich zur eigentlichen, meßbaren Arbeit und Leistung auch eine andere Dimension "scheinbarer Arbeit" als Zeit- und Energieverwendung hinzu, die keiner braucht, die nur der trickreichen Befriedigung nach Anerkennung und Aufmerksamkeit der Akteure oder Spieler dient und die, weil sie keinen Nutzen stiftet, in der Arbeitswelt reine Blindleistung, also Verschwendung ist, auf der Theaterbühne dagegen durchaus sehr unterhaltend sein kann. Das wollen wir im folgenden ein (psychologisches) "Spiel" nennen.

Was ist nun ein Spiel genauer? Eric Berne hat zuerst auf die verblüffenden Regelmäßigkeiten von Verhaltensabläufen in Zweierbeziehungen und Gruppen hingewiesen, die mit "verdeckten Transaktionen" ablaufen, das sind unausgesprochene, halbbewußte Meinungen, Gedanken und auch Vorurteile, die Menschen voneinander haben. Also Spiele im transaktionsanalytischem Sinne sind nicht das, was kleine Kinder mit Bauklötzen, einem Ball oder einer Schippe im Sandkasten tun, auch hat es nichts mit Schachfiguren, dem Sport oder einem Computerspiel zu tun, sondern es ist das, was man umgangssprachlich als "Spielchen" bezeichnet. Der Volksmund sagt dazu vielleicht, jemanden in die Pfanne hauen oder verladen, in den Wald schicken oder ins Messer laufen lassen. Oder wenn in einer Partnerbeziehung ein verliebter Mann von seiner Angebeteten hingehalten oder hintergangen wird und er sagt: Du spielst mit mir, was bedeutet, Du bist nicht ehrlich zu mir, Du hintergehst mich mit einem Trick oder Du gehst nicht anständig mit mir um.
   
Arbeit und Zusammen-"Arbeit" läuft auf der Verstandesebene ab, die TA sagt dazu unter Einschaltung unseres Erwachsenen-Ichs. Die emotionelle Ebene muß einen gewissen Gleichklang haben, umgangssprachlich sagt man: Die Chemie muß stimmen! Spiele werden unter weitgehender Ausschaltung der Verstandesebene, des Erwachsenen-Ichs, aus der emotionellen Ebene gespielt. Hierbei nehmen die Beteiligten Rollen ein, denen die folgenden Mottos zugrunde liegen: Die
   
Retterrolle: "Nun beruhigen Sie sich erst einmal, so schlimm ist das ja auch nicht. Ich werde mich Ihrer Sache gleich einmal annehmen!"
Versteckt: "Ich versuche nur, Dir zu helfen, Dir muß man ja auch wirklich helfen."
   
Verfolgerrolle: "So etwas darf man nicht durchgehen lassen, einmal verwarnen und wenn es dann auch nicht fruchtet, gleich raußschmeißen!"
Versteckt: "Jetzt hab ich Dich endlich, Du Schweinehund!"
   
Opferrolle: "Ich kann machen, was ich will, bei mir geht alles daneben, mir gelingt nie etwas!"
Versteckt: "Tu mir etwas an, hau mich!" oder "Vielleicht finde ich jemand, den ich für mich einspannen kann!"
   
Diese Rollen lassen sich in dem sogenannten Dramadreieck darstellen. "Drama"-dreieck deshalb, weil ihr Entdecker Stephen Karpman in Märchen und Dramen gestöbert hatte und herausfand, daß diese Rollen von den Akteuren immer dann eingenommen werden, wenn es besonders spannend wird.

   


Im Spiel sucht sich ein Retter nun sein Opfer, das er retten kann und jeder Verfolger auch sein Opfer, das er verfolgen kann. Ebenso sucht sich ein Opfer seinen Retter oder seinen Verfolger. Die Besetzung der Rollen ist die Voraussetzung für ein anregendes, dynamisches Spiel. Ist jemand dabei, der keine Rolle einnehmen kann, stört er die Kreise, läuft aber Gefahr in das Spiel hineingezogen zu werden. Ein Spiel ist aber erst dann abgelaufen, wenn mindestens eine Person die Rolle freiwillig oder unfreiwillig wechselt. Also beispielsweise das Opfer plötzlich zum Verfolger wird und der Retter sich als Opfer wiederfindet. Dann dreht sich das Dreieck, der Rollenwechsel (Switch) findet statt und hinterläßt Irritation, Verwirrung, Verbitterung oder handfesten Ärger. Ein Außenstehender beobachtet diesen Switch als eine Veränderung bei den Beteiligten vom "Smiley" zum "Frusty". Das kann schleichend oder auch ruckartig vor sich gehen

Die Bezeichnungen +/- und -/+ deuten auf die in der TA üblichen Grundeinstellungen, oder O.K.-Positionen hin. Die Bezeichnung +/- steht für die Einstellung: "Ich bin O.K. – Du bist nicht O.K.!" Das ist eine Position der selbstgefühlten, vermeintlichen "Überlegenheit", aber auch einer "Überverantwortlichkeit". Für die Retter- und die Verfolgerrolle sind diese Grundeinstellungen prägend. Die Bezeichnung -/+ steht für die Einstellung: "Ich bin nicht O. K. – Du bist O. K.!" Das ist eine Position der selbstgefühlten, vermeintlichen "Unterlegenheit", aber auch einer "Unterverantwortlichkeit". Die Einschränkung "vermeintlich" weist darauf hin, daß diese "Über- oder Unterlegenheitsempfindungen" auf Selbsteinschätzungen beruhen. Im Laufe eines Spieles kann aber jemand mit einer +/- Einstellung durchaus in eine -/+ Position geschickt werden.

Nichts ist so praktisch, wie ein gutes Beispiel. Zwei häufig in der Praxis erlebbare Spiele sollen den Einstieg in die TA ermöglichen. Es wird gezeigt, wie diese Dramen ablaufen, wie man erkennen kann in einem Spiel verwickelt zu sein, was die Ursachen sind und wie man aussteigen kann.

 

 


Übrigens: Wir veranstalten Seminare zum Erlernen der TA-Konzepte und praktischer Anwendung.

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