Labor 1: "Mein Chef hört mir nicht zu!"

Verfasser: Dr. Jürgen Zeplin, Berlin

 

Mitglieder: Hase, Maus, Frühling, Paul, Klara, TAxpert

Mitglied Hase bringt sein Problem in die Runde ein: "Mein Chef hört mir nicht zu!"

Mein Chef scheint mir nicht zuzuhören. Ich komme gar nicht dazu, meine Gedanken klar auszusprechen. Immer wenn ich um das Wort bitte, unterbricht er mich schon nach wenigen Sätzen und fragt den Kollegen M., was er von dem Problem hält?

1. Nun kommt "TAxpert" oder ein Teilnehmer zum Zuge, vielleicht mit der Aufforderung: Füllen Sie doch erst einmal einen
Spielplan nach John James aus. Dann wird Ihnen und uns vielleicht klar, ob Sie in ein Spiel verwickelt worden sind.

2. Der Teilnehmer Hase greift nun vom Portal auf ein Formular des Spielplans aus der Auswahl TA-Instrumente zu und beginnt ihn auszufüllen.

Spielplan nach John James

Frage 1: Was passiert mir mit wem immer und immer wieder?

Mein Chef scheint mir nicht zuzuhören. Ich komme gar nicht dazu meine Gedanken klar auszusprechen. Immer unterbricht er mich sofort und befragt zu dieser Sache einen Kollegen.

Frage 2: Wie fängt es meistens an?

Wir haben im Verkauf wichtige Kunden verloren. Ich habe zur Lösung unseres Problems einige Ideen entwickelt. Ich möchte diese auf der Besprechung vorgetragen. So bitte ich um das Wort und beginne mit meinen Ausführungen. Aber immer wenn ich einige Sätze gesprochen habe, unterbricht mich unser Chef und fragt Herrn M., was er zu diesem Problem zu sagen hätte.

Frage 3: Was geschieht dann?

Der ergeht sich dann in langatmigen Ausführungen, redet sehr viel, sagt aber inhaltlich nichts. Am Ende sind wir alle so schlau wie vorher. Eine Maßnahme schlägt der auch nicht vor. Dennoch bedankt sich unser Chef bei ihm ausdrücklich, fast überschwenglich für diese Ausführungen.

Frage 4: Und dann?...und dann?... und dann?

Dann ergreifen noch die anderen in der Runde das Wort und reden weiter um den Brei herum. Daß das alles sehr schwer ist, wir nun aufpassen müssen, der Wettbewerb ja nicht schläft, unsere Produkte dringend verbessert werden müßten, sie daran ja auch gar keine Schuld hätten u.s.f.

Frage 5: Wie endet es meistens? Wie gehen wir auseinander?

Wenn sich alle eine "weiße Weste" herbeigeredet haben, faßt der Chef alles zusammen mit der Bemerkung, das wäre wohl höhere Gewalt. Eine Entscheidung in dieser Sache könne gegenwärtig nicht gefällt werden. Die Besprechung wird ohne konkretes Ergebnis beendet.

Frage 6: Wie fühle ich mich am Ende?

Ich wüßte, was zu tun wäre, komme aber gar nicht dazu, es auszusprechen. Auch keiner meiner Kollegen scheint sich für meine Gedanken zu interessieren. Ich bin wütend und enttäuscht.

3. Jetzt meldet sich Teilnehmer Frühling mit der Frage: "Wer ist denn für die Kundengewinnung und –betreuung unmittelbar verantwortlich?" Die Antwort von Hase lautet: "Na, der Herr M.!"
 
4. Dann meldet sich Teilnehmer Paul mit der Frage: "Kann es sein, daß Ihre Ausführungen mit Vorwürfen unterlegt sind oder daß die anderen Sie für einen Menschen halten, der gerne anderen Vorwürfe macht?" Hase entgegnet: "Nein, ich gehe mit meinen Ausführungen auf die handelnden Personen und ihre Verantwortlichkeiten gar nicht ein und beschränke mich nur auf Vorschläge, wie neue Kunden gewonnen werden könnten."

5. Jetzt fragt Teilnehmerin Klara: "Welche Verantwortung für die Lösung des Problems tragen Sie eigentlich?" Die Antwort von Hase ist:"Gar keine!"

6. Klara fragt nach: "Kommt das denn wirklich häufiger vor, daß Sie von Ihrem Chef abgewürgt werden, wenn Sie Ihre Gedanken äußern wollen." Die Antwort  von Hase lautet: "Ja, das ist immer so."

7. Jetzt kommt Teilnehmer Maus zum Zuge. Er fragt: "Heißt das vielleicht, daß Sie den "Profis" des Vertriebs Vorschläge machen wollen und die Ihre Kompetenz dafür aber grundsätzlich in Frage stellen?" Hase antwortet: "Das könnte so sein."

8. Maus fragt nach: "Haben Sie in der Vergangenheit in diesen Fragen schon einmal Beachtung und Anerkennung bekommen?" Hase antwortet: "Nein, wir waren noch nicht in einer derartigen Situation."

9. Nun schaltet sich Paul wieder ein. Er fragt: "Ich wundere mich aber darüber, daß es gerade Ihr Chef ist, der Sie mundtot macht. Er müßte doch an einer Lösung interessiert sein, egal von wem die Ideen kommen. Hat er vielleicht auch dieses  Vorurteil Ihnen gegenüber?" Hase antwortet: "Ja, das glaube ich ist so!"

10. Jetzt greift "TAxpert" ein: "Fassen wir einmal zusammen: Es  sieht nach einer Maschen- oder Spielverwicklung aus, weil die Frage 1 (eine Verwicklung) und die Frage 6 (nachhaltiger Ärger) entsprechend beantwortet wurden. Aber wir müssen uns jetzt auf die Beziehung von Teilnehmer Hase zu seinem Chef konzentrieren, über die anderen Beteiligten liegen uns gar keine Informationen vor. Im übrigen taugt der Spielplan von John James auch nur zur Analyse für Zweierbeziehungen. Also müssen wir den Erweiterungsteil des Spielplans einsetzen.

11. Nun fragt Teilnehmer Frühling: "Mögen Sie Ihren Chef?" Antwortet Hase: "Was heißt mögen? Ja, doch, ich glaube schon. Im großen und ganzen wohl schon."

12. Frühling läßt nicht locker: "Nun einmal ehrlich, was halten Sie wirklich von der Kompetenz Ihres Chefs? Vielleicht tragen Sie die Antwort gleich unter Frage 8 in den Spielplan ein."

13. Teilnehmer Hase entscheidet sich dann zu einem Eintrag auf Frage 8.

Frage 8: Wie kann ich den Satz ergänzen: (Welche Meinung habe ich von dem anderen wirklich? Mein (Vor)-Urteil über ihn.)
So ein richtiger Vorgesetzter, wie ich ihn mir vorstelle, ist er gewiß nicht. Wenn ein anderer käme, würde ich ihm nicht nachtrauern. Seine Führungsfähigkeit und Entscheidungsfreude ist meines Erachtens nicht sonderlich stark entwickelt.

14. Fragt nun Klara nach: "Wenn ich mich an Ihre Ausführungen über den Verlauf der Besprechung erinnere und Ihre Bemerkung über die "weiße Weste" herbeireden durch die anderen Teilnehmer der Runde betrachte, drängt sich für mich die Frage auf: "Was, glauben Sie, fühlt Ihr Chef?"" Antwortet Hase: "Ich glaube, da liegen Sie ganz richtig, der hat Angst! Alle haben wohl Angst, sonst würden sie nicht so viele Worte machen um sich aus der Verantwortung zu reden." Also trägt Teilnehmer Hase seine Antwort zur Frage 7 ein.

Frage 7: Was, glaube ich, fühlt der andere? (Mein Einfühlungsvermögen.) 
Der Chef hat Angst, weil er seine Gesamtverantwortung spürt, der er nicht entfliehen kann.

15. Dann wirft Teilnehmer Paul ein: "Es ist immer schwer, sich vorzustellen, welche Meinung ein anderer von einem selbst hat. Auch ist es für gewöhnlich schwer sich vorzustellen, daß z. B. ein Chef eine negative Meinung von einem selbst hat. Dennoch frage ich Sie: "Welche Meinung hat Ihr Chef vermutlich von Ihnen?"" Teilnehmer Hase überlegt und trägt dann die Antwort unter Frage 9 ein.

Frage 9: Wie glaube ich, kann der/die andere dann den Satz ergänzen: (Welche Meinung hat der/die andere vermutlich wohl von mir? (Sein/ihr (Vor)-Urteil über mich.)
Ich glaube, der hält nicht viel von mir. Sonst würde es ihn viel mehr interessieren, was ich zu sagen habe.

16. Schaltet sich "TAxpert" ein: "Nun wissen wir, daß Herr Hase in ein Spiel verwickelt war. Können Sie Herr Hase, die Dramatik des Spiels erkennen?" Antwortet Herr Hase: "Nein, so klar ist das für mich noch nicht."

17. Fragt "TAxpert": "Ist es für Sie in Ordnung, wenn ich die anderen Teilnehmer frage?" Daraufhin Hase: "Gern!"

18. Meldet sich Frühling: "Ich glaube der Chef erlebt Herrn Hase als Retter, möchte sich aber nicht retten lassen, auch weil sein Selbstverständnis von einem Chef das nicht zuläßt. So überkreuzt er Herrn Hase sofort und macht ihn damit mundtot. Das ist der "Switch" mit dem er sich aus der vermeintlichen Opferrolle in eine Verfolgerrolle bringt, Herr Hase landet dann in der Opferrolle, in der sich dann auch kräftig ärgert."

19. Fragt nun "TAxpert": "Gut, wir haben nun eine Analyse des möglichen Spiels, aber noch keine Lösung, was Teilnehmer Hase machen könnte. Schauen wir uns den Spielplan an, so ist die Beziehung zwischen Teilnehmer Hase und dem Chef wohl von den gegenseitigen Vorurteilen belastet. Diese würden immer wieder zum selben Ergebnis führen. Deswegen müßte bei den Vorurteilen angesetzt werden. Haben Sie dazu eine Idee?"

20. Entgegnet Teilnehmer Hase: "Aber ich kann den doch nicht auf Knopfdruck mögen!"

21. Sagt Klara: "Das müssen Sie doch aber gar nicht. Um miteinander anständig umzugehen, braucht man sich nicht zu lieben. Auch wenn der andere Fehler hat, muß man ihn nehmen, wie er ist. Hauptsache er bleibt für mich O.K."

22. Fragt nun Hase: "Was bedeutet das für mich denn praktisch?"

23. Entgegnet Klara: "Na, ganz einfach. Reden sie mit Ihrem Chef unter vier Augen. Wenn jemand ein Vorurteil von mir hat, kann nur ich es zerstreuen. Von allein geht es dem Chef nicht aus dem Kopf."

24. Fragt Hase: "Aber warum denn unter vier Augen?"

25. Antwortet Teilnehmer Maus: "Na, eine persönliche Beziehung repariert man doch nicht in der Öffentlichkeit. Im Zuge dieser Beziehungsklärung können Sie doch auch noch einmal Ihre Gedanken zur Lösung des Vertriebsproblems anbringen. Vielleicht verabschiedet er sich ein wenig von seinem Vorurteil über sie. Auf dieses Gespräch würde ich mich an Ihrer Stelle aber sorgfältig vorbereiten. Wenn Sie noch einen Rat-"Schlag" von mir haben möchten: Ich schreibe mir immer in kurzen Sätzen auf Karten auf, was ich sagen möchte und was gewiß nicht."

26. Wirft nun "TAxpert" ein: "Ich glaube, wir sind Ihnen mit unseren Rat-"Schlägen" ganz schön nahe auf die Pelle gerückt. War das für Sie denn so in Ordnung?" Antwortet Hase: "Ja, das war schon in Ordnung! Es ist für mich aber ein wenig zu viel auf einmal."

27. Sagt nun "TAxpert": "Das kann ich verstehen. Am besten ist, wenn Teilnehmer Frühling die Dramatik in das Formular einträgt und ich trage das Fazit ein." So geschieht es dann.

Was war geschehen? Die unbewußte Regie des Spiels

"Ich glaube, der Chef erlebt Herrn Hase als Retter, möchte sich aber nicht retten  lassen, weil sein Selbstverständnis von Chef das nicht zuläßt. So überkreuzt er Herrn Hase sofort. Das ist der "Switch" (Ich-Zustandswechsel) mit dem er sich aus der vermeintlichen Opferrolle in eine Verfolgerrolle bringt, Herr Hase landet dann in der Opferrolle, in der sich dann kräftig ärgert."

Fazit?

Die Beziehung zwischen Teilnehmer Hase und dem Chef ist von den gegenseitigen Vorurteilen belastet. Diese würden immer wieder zum selben Ergebnis führen. Deswegen müßte bei den Vorurteilen angesetzt werden."

Was wäre zu tun? Mein Plan?

1. Ich habe verstanden, ich muß das Problem in der Beziehung zwischen mir und meinem Chef mit ihm direkt angehen.

2. Unsere Beziehung ist von unseren gegenseitigen Vorurteilen bestimmt. Ich halte nicht viel von ihm als Führungskraft. Er antwortet mit einer Abwertung meiner Kompetenz in Vertriebsfragen ohne jede eigene Prüfung. Ich muß eine bessere Beziehung zu ihm erreichen.

3. Wir sind gegenseitig in einer +/- Grundposition verschlungen. Damit haben wir die besten Voraussetzungen für Maschen und Spiele. Aus meiner +/- Grundposition will ich aussteigen.

4. Um ihn besser kennenzulernen, muß ich um ein Gespräch bitten. Ich will in diesem Gespräch zwei Ziele konsequent verfolgen:

5. Sollte ich erwähnen, daß er mich immer öffentlich abwürgt und ich mich darüber sehr ärgere. Da steckt mir noch die Frage in den Gliedern, ob ich mir vorstellen könnte, daß ich "vorwurfsvoll" erlebt werde. Deshalb werde ich in diesem Gespräch meine erlebten negativen Gefühle nicht ansprechen, sondern erst dann, wenn ich eine bessere Beziehung zu ihm habe.


28. Teilnehmer Hase bittet sich einige Zeit aus und trägt dann seinen Plan für die Lösung in das Formular ein.


29. Damit wäre die "Arbeit" dieses Labors erst einmal beendet. Jetzt könnte nur noch ein Nachspann eingerichtet werden, in dem der aktive Teilnehmer Hase über seine Erfahrungen und das erzielte Ergebnis im Dialog berichtet.


  


Übrigens: Wir veranstalten Seminare zum Erlernen der TA-Konzepte und praktischer Anwendung.

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